Gina Krückl

Reporterin

«Bürger müssen sich zwischen Äpfeln und Birnen entscheiden»

Ende Dezember kommt es in der Gemeinde zur Kampfwahl zwischen den zwei Gemeindepräsidiumskandidatinnen. Nur dass von Kampf keine Rede sein kann – zumindest wenn es nach der Herausforderin geht.

Letizia Müller ist seit vergangenem Jahr Gemeinderätin und stellt sich nun als Kandidatin für das Gemeindepräsidium auf.

Am 20. Dezember werden die Leissigerinnen und Leissiger über die Zukunft des Gemeindepräsidiums abstimmen. Erstmals findet diese Wahl nicht wie üblich an der Gemeindeversammlung statt, sondern wird wegen der Corona-Pandemie an der Urne abgehalten. Da ist aber nicht das einzige Novum bei dieser Wahl: Zum ersten Mal kämpfen in Leissigen zwei Frauen um das Gemeindepräsidium. Von einer Kampfwahl kann aber dennoch nicht die Rede sein.

Zu Wiederwahl stellt sich die gebürtige Luzernerin Erika Jost. Sie übernahm das Amt erst im vergangenen Jahr, nachdem ihr Lebenspartner und früherer Gemeindepräsident Bruno Trachsel zurücktrat. Neu kandidiert die gebürtige Seeländerin Letizia Müller. Obwohl die 38-Jährige erst seit drei Jahren hier wohnt, ist sie auf der politischen Bühne Leissigens keine Unbekannte. Nachdem sich im Vorfeld der letztjährigen Versammlung für die Erneuerungswahlen keine Kandidaten für den Gemeinderat finden liessen, meldete sich Müller spontan, eine der beiden Vakanzen zu füllen (diese Zeitung berichtete).

Kurz vor den damaligen Wahlen sei sie am Frauenstreik in Bern gewesen, so Müller. «Und als sich mir dann eine solche Möglichkeit bot etwas zu bewirken, habe ich mich entschlossen, diese Chance zu ergreifen und nicht einfach die Faust in der Tasche zu ballen.» Doch zunächst einmal musste sie sich beweisen. «Ich kann mir gut vorstellen, was die meisten vermutlich von mir dachten – junge Frau, vierfache Mutter und dann auch noch Kindergärtnerin – ich bin ein wandelndes Klischee.» Natürlich hätte sich niemand gewagt, ihre Kompetenz laut anzuzweifeln, besonders da die Gemeinde die vakanten Stellen füllen wollte. «Ich finde, komplett unterschätzt zu werden, ist fast das Beste, was einem passieren kann.» So könne man die Leute nur positiv überraschen.

Gemeindspräsidiumskandidatin Letizia Müller will keine Kampfwahl.

Politik war schon in Müllers Kindheit ein grosses Thema: «Mein Vater war acht Jahre lang Gemeinderat unseres Dorfs.» Darum sei die Politik schon immer in ihrem Alltag präsent gewesen, gerade etwa auch am Küchentisch. Und auch als Jugendliche seien politische Diskussionen mit ihren Freunden an der Tagesordnung gewesen. «Unsere Eltern haben politisiert, also haben wir das auch.»

Politisch aktiv wurde Müller aber erstmals im vergangenen Jahr. «Ich bin häufiger umgezogen und wurde früh Mutter – eine politische Karriere hat sich einfach nie ergeben.» Seit sie mit ihrer Familie aber in Leissigen sesshaft geworden sei, hätte sie dafür aber die nötige Ruhe und Struktur. Daran würden auch ihre vier Kinder im Alter von sechs bis 13 nichts ändern. «Ich habe meine Familie ja nicht erst seit gestern und nach all den Jahren sind wir ein eingespieltes Team.» Zudem könne sie ihre Arbeitsstunden sowohl im Job als auch in der Gemeinde flexibel einteilen. «Darum traue ich es mir zu, diese grosse Herausforderung anzunehmen.»

«Ich traue es mir zu, diese grosse Herausforderung anzunehmen.»

Und das wäre das Amt der Gemeindepräsidentin mit Sicherheit: Schon seit Jahren ist der Leissiger Verkehr ein heiss diskutiertes Thema. Nicht nur in der kleinen Gemeinde, sondern überall entlang des Thunersees und auch in der Hauptstadt Bern. 2017 entschied sich der Grosse Rat, ab 2021 für die Strecke zwischen Spiez und Interlaken eine Busvariante statt der bestehenden Zug-Bus-Variante einzusetzen. Seitdem kämpfen mehrere Akteure, unter anderem die IG Leissigen Futura, gegen diesen Entscheid.

«Wir beschäftigen uns schon sehr lange mit diesem Thema, die Weichen sind nun gestellt», so Müller. In den nächsten vier Jahren sei klar, wie es laufe. Was aber nicht heisst, dass hinter den Kulissen nicht weitergearbeitet werde. «Wir müssen mit vereinten Kräften versuchen, noch das Bestmögliche für Leissigen herauszuholen.» Das wäre für Müller die Haltekante.

Der Verkehr ist für Müller aber nicht das einzige, aktuell wichtige, politische Geschäft. «Gegen aussen ist es sicher das brisanteste Thema, aber es gibt noch viele weitere, die die Einwohnenden beschäftigen.» Ein grosses Politikum werde etwa die Schulraumerweiterung werden. «In den letzten Jahren sind immer mehr Familien nach Leissigen gezogen und dieser Veränderung müssen wir unser Angebot anpassen.»

«Bürger müssen sich zwischen Äpfeln und Birnen entscheiden.»

Müller hat einen Plan für Leissigen. «Mir liegt die Gemeinde am Herzen und ich möchte etwas zurückgeben.» Und von ihrem Recht, das hiesige politische Geschehen zu beeinflussen, möchte sie Gebrauch machen. «Wahlen sind ein wichtiger Teil der Demokratie.» Damit es aber eine echte Wahl gebe, müsse es mindestens zwei Kandidaten geben. «Ich finde es wichtig, dass wir den Leissigerinnen und Leissigern die Möglichkeit zu einer echten Wahl geben.»

So eine echte Wahl sei auch für die hervorgehende Siegerin von Vorteil. «Das gibt einem die Bestätigung, dass man wirklich vom Volk gewollt und nicht einfach nur stillschweigend toleriert wird.» Besonders, da die beiden Kandidatinnen so unterschiedlich seien. «Wir sind wie Äpfel und Birnen.» Darum sei dies auch keine Kampfwahl. «Sondern die Entscheidung eines jeden Bürgers, was er lieber möchte – Äpfel oder Birnen.»

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