In gut einem Jahr wird sich das Thunersee-Ruder-Team Ocean’s 4 dem wohl härtesten Ruderrennen der Welt stellen, bis dahin haben Astrid Schmid, Denise Lützelschwab und Philipp Kessler aber noch einiges zu tun. Seit vergangenem Sonntag sind es zwei «Sachen» weniger.

Am 12. Juni 2023 ist es soweit: Ocean’s 4 wird in Monterey in Kalifornien starten und die 4444 Kilometer nach Kauai, der westlichsten Insel Hawaiis, mit blosser Ruderkraft zurücklegen. Um in einem Jahr an der Pacific Challenge, dem wohl härtesten Ruderrennen der Welt, teilnehmen zu können, haben Astrid Schmid, Denise Lützelschwab und Philipp Kessler schon jetzt alle Hände voll zu tun. Am vergangenen Sonntag konnten die Thunersee-Ruderer zwei wichtige Punkte von der langen Liste streichen.
«Little Swiss Lady» offiziell getauft
«Jedes Boot muss einen Namen haben», erklärt Ocean’s-4-Mitglied Philipp Kessler. Inoffiziell hat die «Little Swiss Lady» ihren Namen zwar bereits seit geraumer Zeit, offiziell wurde das speziell für Ocean’s 4 angefertigte Ruderboot allerdings erst am Sonntag getauft. Und zwar von keinem Geringeren als Pepe Lienhard.


Mit einem Motorboot von der Furer Bootbau AG wurde der erfolgreiche Schweizer Musiker dem Anlass entsprechend von Thun zum Einiger Bootssteg chauffiert. Nach einer kurzen Ansprache schritt er dann auch sogleich zur Tat, liess den Korken der Champagnerflasche knallen und goss einen «Gutsch» auf die «Little Swiss Lady».
Warum Ocean’s 4 Pepe Lienhard als Götti für die «Little Swiss Lady» angefragt haben, dürfte aufgrund ihres Namens keinen überraschen. Mit «Swiss Lady» erreichte er 1977 beim Eurovision Song Contest den sechsten Rang und grub sich mit der eingängigen Melodie und dem zum Mitsingen anregenden Text in die Köpfe des Publikums. Als er dann von den Ruderern für die Patenschaft angefragt wurde, liess er sich laut Kessler nicht lange bitten. «Wir haben uns wahnsinnig gefreut, dass er dafür extra aus der Ostschweiz angereist ist.»
Kenter-Übung
Während der Anblick dieser Schweizer Musik-Legende wohl bei dem einen oder anderen Anwesenden das Herz höherschlagen liess, rutschte es wohl beim zweiten Programmpunkt bei fast allen deutlich tiefer runter. Wenn man auf dem Thunersee rudert und sich ein Gewitter anbahnt, ist es ratsam, sich möglichst schnell an Land zu begeben. Befindet man sich aber mitten auf dem Pazifischen Ozean, ist das keine Option. Damit Hochsee-Ruderboote auch bei starkem Wellengang nicht kentern, werden sie so gebaut, dass sie sich immer wieder von selbst umdrehen. Um diese Fähigkeit der «Little Swiss Lady» zu testen und eine solche Drehung schon mal in einem sicheren Rahmen erlebt zu haben, führte Ocean’s 4 am Sonntag einen Capsize-Drill durch (zu Deutsch in etwa Kopf-Steh-Übung).

Nachdem Astrid Schmid, Denise Lützelschwab und Philipp Kessler alle beweglichen Teile ihres Ruderboots gesichert und sich selbst in den Kabinen eingeschlossen haben, geht es los: Mit strategisch platzierten Tauen dreht ein Schleppboot der Hächler Bootsbau AG die «Little Swiss Lady» auf den Kopf. Sobald das Ruderboot komplett Kopf steht, schnellt es herum und schaukelt wieder aufrecht stehend auf dem Wasser. In wenigen Sekunden ist das Spektakel vorbei. Die Ocean’s 4 steigen leicht durchgeschüttelt aber trocken aus ihren Kabinen. Während Astrid Schmid das Prozedere nur zu gut von ihrer Teilnahme an der Atlantic Challenge kennt, war es für Denise Lützelschwab und Philipp Kessler der erste Capsize-Drill.

«Ich wusste ja, was passieren wird, konnte mich also gut darauf vorbereiten und meinen Körper in der Kabine so verstemmen, dass ich nicht herumgeschleudert werde», so Kessler. Auf hoher See sieht das anders aus. «Da wird uns niemand vorwarnen, dass es gleich losgeht.» Dazu kommt das Gepäck, das sich dann in den Kabinen befinden wird, was die ganze Situation deutlich «unangenehmer» machen wird. Dass die Ocean’s 4 ihre Übung auch tatsächlich auf dem Meer wiederholen werden müssen, ist nicht gesagt. «Natürlich ist es möglich, deshalb üben wir das auch, aber es besteht die Chance, dass es uns während der Challenge gar nie auf den Kopf drehen wird.»


Suche nach viertem Mann
Auch nach der Bootstaufe und der Kenter-Übung haben Ocean’s 4 noch einiges zu tun. Erst vor einer Woche verkündeten die Ruderer, dass sich der Robert Jaeggi, der bisherige Vierte im Bunde, aus dem Team verabschiedet hat. «Wir hatten sehr intensive Sitzungen und Coachings, bei denen wir festgestellt haben, dass es für uns Vier keine gute Idee wäre, gemeinsam auf hoher See zu sein.» Böses Blut gibt es zwischen den ehemaligen Team-Kameraden deswegen aber nicht. «Natürlich ist es sehr schade, aber solche Entscheidungen gehören wohl zu so einem Projekt dazu.»

Nun sind die Ocean’s 4 auf der Suche nach einer vierten Person, die das Team wieder komplett machen soll. Bevorzugen würden sie aufgrund der bisherigen Konstellation einen Mann. Laut Kessler hätten sie bereits einige Namen im Kopf, allerdings ist noch alles offen. «Wir werden aber sicher zu viert über den Pazifik rudern.»