Gina Krückl

Reporterin

Blickkontakt mit Jaël

Als ehemalige Lunik-Frontfrau ist die Berner Singer-Songwriterin grosse Menschenmengen und riesige Hallen gewöhnt. Dennoch bevorzugt sie kleine Konzerte, wie das, das sie erst vor einer Woche gemeinsam mit ihren beiden Kollegen vom Akustik-Trio im Grandhotel Giessbach gab. Auch das Publikum dürfte sich über die Nähe zu den Musikern gefreut haben.

Jaël bereitet sich am Samstag, 5. März, auf ihre erste Giessbach Session vor.

Eigentlich hätte Jaël bereits vor einem halben Jahr im Grandhotel Giessbach auftreten sollen, doch wegen der Pandemie musste das Konzert der Berner Singer-Songwriterin verschoben werden. Vor gut einer Woche war es nun endlich soweit. Trotz dieser verlängerten Vorbereitungszeit – oder vielleicht genau deswegen – war sie wenige Stunden vor ihrer ersten Teilnahme an den Giessbach Sessions sichtlich nervös.

Nicht gerade eine Berner Expo-Halle. Doch dank der stimmungsvollen Kulisse sind die Konzerte im Grandhotel Giessbach dennoch ein unvergessliches Erlebnis.

Für Jaël gehört die Nervosität vor einem Auftritt ein bisschen dazu. «Ich glaube, ab dem Moment, ab dem man gar nicht mehr nervös ist, bedeutet es einem nicht mehr so viel.» Bei ihr sei es so, dass sich die Nervosität den ganzen Tag über immer mehr aufbaue. Sobald sie auf der Bühne stehe, verschwinde sie aber glücklicherweise recht schnell. «Wenn ich den Blickkontakt zu den Leuten habe und einzelne Gesichter erkenne, ist alles gut.» Deswegen bevorzuge sie so kleine, intime Konzerte wie die Giessbach Sessions. Zumal sie in ihrer Karriere schon mehr als genug unüberschaubare Konzertsäle gefüllt hat.

Der Blickkontakt mit ihrem Publikum ist für Jaël besonders wichtig.
Augenkontakt statt Riesen-Halle

Von 1998 bis 2013 war Jaël die Frontfrau der Band «Lunik» und trat über die Grenzen der Schweiz hinaus in den grossen Hallen und an den grossen Festivals auf. Seit Frühling 2020 ist sie mit Cédric Monnier und Domi Schreiber als akustisches Trio auf Tour. Seither würde sie fast ausschliesslich kleinere Konzerte spielen. Nicht nur, um die Nervosität in Schach zu halten, sondern auch, weil ihre Musik so besser funktioniert. «So, wie ich meine Geschichten und meine Musik präsentieren möchte, passt es in einem solchen Setting sehr gut.» Zwischen einzelnen Liedern erzähle sie sehr gern, woher das nächste Lied kommt und was sie sich dazu für Gedanken gemacht hat. «Und da passt Augenkontakt mit dem Publikum natürlich viel besser als eine riesige Halle.» Besonders da ihr bei der aktuellen Tour jeder einzelne Song am Herzen liegt.

Auf ihrer Akustik-Trio-Tour spiel Jaël mit ihren beiden Musiker-Kollegen Cédric Monnier und Domi Schreiber (rechts).

Die Akustik-Trio-Tour hat ein breit gefächertes Programm. Mit neu interpretierten Lunik-Songs, Liedern, die Jaël mit anderen Künstlern geschrieben hat, sowie Nummern von ihren letzten beiden Alben «Nothing to Hide» und «Sinfonia» präsentiert es einen wilden Querschnitt durch Jaël Karriere. Es sei eine Art Best-of-Tour, allerdings nicht hinsichtlich des Erfolgs, erklärt die Singer-Songwriterin. «Dank meiner 25-jährigen Musikkarriere habe ich einen grossen Pool aus Songs, aus dem ich jetzt einfach meine Perlen herausgepickt habe.» Das Ganze sei sehr befreiend. So habe sie etwa nicht mehr das Gefühl, einem spezifischen Album gerecht werden zu müssen, indem sie eine bestimmte Anzahl daraus spielt. «Ich spiele, worauf ich Lust habe.»

Musikalische Jahreszeiten

Während Jaël noch bis Mitte nächsten Jahres überall in der Schweiz auftritt und Perlen aus ihrer Vergangenheit spielt, arbeitet sie gleichzeitig an neuem Material. Teilweise mit ihren beiden Akustik-Trio-Kumpanen, doch hauptsächlich schreibe sie neue Songs «mit mir allein im stillen Kämmerli». «Ich bin aber nicht jemand, der sich jeden Tag um 6.00 Uhr hinsetzt und sagt: ‚So, heute schreib ich drei Songs.’» Stattdessen funktioniere das bei ihr wie mit den Jahreszeiten. Da gebe es die, in denen sie hauptsächlich auf Tour ist, die, in denen sie viel im Studio ist, und die, in denen sie «ganz fest Mami» ist. «Und zwischendurch kommt die Songwriting-Phase.» Wie auch bei den meteorologischen Jahreszeiten kann man den Beginn einer musikalischen Jahreszeit nicht wirklich planen.

Giessbach Sessions: Vor ihrem Auftritt erzählt die Berner Singer-Songwriterin Jaël, wie ihre Akustik-Trio-Tour läuft und woran sie aktuell sonst noch so arbeitet.

Oft komme diese Songwriting-Phase, wenn ein anderes Projekt, wie eben eine Tour, gerade abgeschlossen sei, erzählt Jaël. «Dann habe ich mehr Luft, und meistens kommen dann gleich mehrere Songs aneinander.» So seien auch vier Songs von ihrem nächsten Album innerhalb von rund einer Woche entstanden. «Das war so ein richtig kreativer Moment. Es kann aber gut sein, dass jetzt zwei Monate gar nichts mehr kommt.» Bis ihre Fans aber die Ergebnisse dieses kreativen Moments zu hören bekommen, müssen sie sich noch einige Zeit gedulden, denn das Album wird erst 2023 veröffentlicht. «Erste Müsterli wird man aber sicher schon Ende dieses Jahres hören können.» Einen klitzekleinen Vorgeschmack gibt sie aber schon jetzt.

Auf der Bühne gibt das Akustik-Trio vollen Einsatz.
Ihre aktuelle Tour hat Jaël auch bei ihrem nächsten Album stark beeinflusst.
Noch persönlicher

Die Trio-Tour hätte einen grossen Einfluss auf ihr neues Album gehabt, so Jaël. «Weil wir uns musikalisch so nah sind, haben wir uns dazu entschlossen, dass wir die Songs so erarbeiten, dass wir das Trio als Kern nehmen.» Erst im Studio sollen dann Bass, Schlagzeug und vielleicht auch einige Streichinstrumente dazukommen. «Seit meinem Orchesteralbum liebäugle ich immer wieder mit Streichinstrumenten.» Gerade, weil sie einem Stück noch mehr Tiefe verleihen.

Schon immer war Jaëls Musik sehr persönlich.
Ihr nächstes Album soll noch persönlicher werden.

Jaëls Songs waren schon immer sehr persönlich. Dass sie aus dem Herzen singt, hörte man auch, wenn man die meist englischen Texte nicht versteht. Ihr nächstes Album soll aber noch persönlich werden. «Ich bin Mami geworden und werde bald 43. Das hat viele Gedanken in mir ausgelöst.» Oder anders gesagt: Themen, die sie bis jetzt noch nicht in ihren Songs thematisiert habe, weil sie vielleicht besonders tief gehen, kämen jetzt in diesem Album erstmals zum Zug. «Einige der Songs habe ich vor Jahren geschrieben, doch hatte ich immer das Gefühl, dass etwas fehlt.» Und nun habe sie herausgefunden, was das ist. «Ich habe in den letzten Jahren sehr viele Dinge aus meinem ganzen Leben verarbeitet. Das Album ist also nicht nur sehr, sehr persönlich, sondern fühlt sich schon fast therapeutisch an.»

Die nächsten Giessbach Sessions

 Freitag, 18. März – Beatrice Egli
 Donnerstag, 14. April – Oesch's die Dritten
 Sonntag, 31. Juli – Swiss Music Night mit Michael von der Heide und Nils Buri
 Freitag, 21. Oktober – Stefanie Heinzmann & the tiny fonks
 Samstag, 29. Oktober – Fred Wesley and the new JB's
 Freitag, 4. November – Candy Dulfer
 Samstag, 12. November – WilDC

Infos und Buchung unter https://shop.e-guma.ch/grandhotel-giessbach-brienz/de/events

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