Jedes Jahr wird eins der Zugseile der Niesenbahn gekürzt. Auch in diesem Jahr mussten rund 70 Zentimeter Stahlseil dran glauben. Für das Kürzen des Seils und das Giessen eines neuen Vergusskopfes brauchten Felix Stucki, technischer Leiter der Niesenbahn, und sein Team fast einen ganzen Tag.

Alle Jahre wieder geht die Niesenbahn in die Winterpause. Das knappe halbe Jahr nutzen die Angestellten für Revisionsarbeiten wie der Renovierung des Berghauses, dem Instandhalten von Bahn und Gleisen sowie Schneeräumen. Die Winterpause ist fast vorbei. Am 17. April soll die Niesenbahn wieder fahren und ein Grossteil der Revisionsarbeiten ist bereits erledigt.

Erst vergangenen Donnerstag wurde eines der Zugseile gekürzt. «Das Drahtseil dehnt sich durch das Gewicht der Bahn mit der Zeit aus», erklärt Felix Stucki, technischer Leiter der Niesenbahn. Bis zu 12,5 Tonnen lasten auf dem Seil. Wie stark sich das Drahtseil ausdehne, hänge von verschiedenen Faktoren ab, etwa Temperaturschwankungen und dem Alter des Seils. «Neue Seile dehnen sich zunächst stärker aus, dann stabilisiert sich der Vorgang. Wenn das Seil zu alt wird, dehnt es sich wieder stärker aus.» Zu alt sei ein Seil meist mit rund 24 Jahren. Dieses ist zwölf Jahre alt, hat also noch rund die Hälfte seiner Arbeitszeit vor sich.

Mit einem zu langen Seil kommen die Probleme: «Ist das Seil zu lang, fährt die Bahn weiter in die Talstation ein, hält also nicht an dem dafür vorgesehenen Platz», so Stucki. Dadurch entstehe beim Einsteigen ein Absatz, welcher es älteren Menschen und vor allem auch Rollstuhlfahrern erschwert und irgendwann sogar verunmöglicht, in die Bahn einzusteigen. So weit will man es bei der Niesenbahn aber natürlich nicht kommen lassen.

Wie viel abgeschnitten werden muss, wird anhand eines festen Referenzpunktes entschieden, der jeweils nach dem Schneiden an der Seilendbefestigung angebracht und anschliessend regelmässig gemessen wird. Am Donnerstag mussten 70 Zentimeter des Seils dran glauben. Ein Vorgang, der sehr viel komplexer und aufwändiger ist, als das blosse Abschneiden eines Fadens und Felix Stucki sowie drei seiner Kollegen den ganzen Tag beanspruchte. Darum fangen sie bereits um 7.30 Uhr an.
Technischer Leiter Felix Stucki erklärt, wie man ein Zugseil kürzt.
Zunächst einmal muss das Ende des Drahtseils von der Bahn in die Werkstatt geschafft werden. Dazu wird die Bahn möglichst direkt vor dem Eingang der Werkstatt in der Mittelstation positioniert, das Seilende aus seiner Befestigung an der Unterseite der Bahn losgeschraubt und das kiloschwere Seilende anschliessend trotz maschineller Unterstützung mit nicht geringem Kraftaufwand in die Werkstatt gezogen. Damit das Seil während des Vorgangs nicht aus den Rollen springt, wird es mit einer Holzvorrichtung stabilisiert.

In der Werkstatt muss zunächst die Schutzhülse des alten Vergusskegels entfernt werden. Dieser sorgt dafür, dass das Seil nicht aus seiner Befestigung an der Bahn rutschen kann, und muss nach der Seilkürzung wieder erneuert werden. Nach gut einem Dutzend Hammerschlägen rutscht die Hülse herunter.

Jetzt kommt der einfachste Part: Das effektive Kürzen des Seils. Dort, wo nachher die Kreissäge angesetzt werden soll, reinigen die Männer das Seil äusserlich und binden es links sowie rechts der geplanten Schnittstelle mit Klebeband ab, damit sich die Seilenden nach dem Schneiden nicht aufdrehen können. Nach ziemlich genau 30 Sekunden hat sich die Säge durch die Stahlseile gearbeitet und das Zugseil ist 70 Zentimeter kürzer.


Nach einer erneuten Reinigung des neuen Endstücks drehen die vier die Seilstränge auf knapp einem Meter auf und schneiden rund 50 Zentimeter des in der Mitte liegenden Stahlseils ab und ersetzen es durch ein neues. Anschliessend werden die Stränge wieder zusammengedreht und die Männer machen sich ans Erstellen des sogenannten «Besens».

Der Besen wird wegen seiner Form so genannt. Das Ende des Drahtseils wird so aufgefächert, dass es einen möglichst grossen Durchmesser hat, um nach dem Giessen des Vergusskegels möglichst viel Widerstand gegen ein Herausrutschen aus der Schutzhülse zu bieten. Dazu lösen die Arbeiter auf den letzten 20 Zentimeter des Drahtseils die insgesamt 156 Drähte beziehungsweise Litzen voneinander. Zuvor muss allerdings die neue Schutzhülse auf das Seil gezogen werden.

Anschliessend versuchen sie so gut wie möglich die Drehung aus den Litzen zu entfernen, biegen dann Wellen in die einzelnen Drähte und knicken schliesslich bei jedem die letzten zwei Zentimeter gegen die Mitte um. Nach jedem neuen Schritt kommt der Besen erneut in einen Kanister mit Putzlösung. Dass der Besen möglichst sauber und von allen Fetten und Ölen befreit wurde, ist für den nächsten Schritt wichtig. Das Giessen des Vergusskopfes. Würden sich auf den Drähten noch Fettrückstände befinden, würde das Blei nicht darauf halten.


Nach dem Fixieren des fertigen und gereinigten Besens schlagen ihn die Männer in die neue Schutzhülse. Während einer das Blei auf rund 315 Grad erhitzt, spannen die anderen das Seil senkrecht in die dafür vorgesehene Vorrichtung, dichten die Schutzhülse mit Drähten, nassen Asbestseilen sowie einer Knetmasse ab und erhitzen sie dann ebenfalls. Die Temperaturen sind wichtig. Erhitzt man das Blei zu stark oder die Schutzhülse zu wenig, wodurch das Blei anschiessend zu schnell abkühlt, würde das Blei brüchig werden.



Um das zu verhindern, verfolgen die Arbeiter den Temperaturanstieg genauestens. Sobald das Blei die korrekte Temperatur erreicht hat, giesst einer der Männer es vorsichtig in die Schutzhülse, während ein anderer gleichzeitig mit einem Stab sanft gegen sie schlägt, um mögliche Lufteinschlüsse zu lösen. Während des Klopfens entdecken sie ein Loch in der Verdichtung, aus dem Blei strömt. Innerhalb von Sekunden schrecken sie das Blei mit einem bereits vorbereiteten kalten Waschlappen ab und dichten so das Loch ab. Zum Schluss wird noch der sich auf der Oberfläche abgesetzte Schmutz mit einem Stück Stoff entfernt.


Der Vergusskegel ist fertig. Theoretisch. Nach rund fünf Stunden Arbeit muss er nun zwei Stunden auskühlen, bevor das Blei auf Lufteinschlüsse und Brüche überprüft werden kann. Ist der Vergusskopf nicht perfekt, müssen die Männer nochmal von vorne anfangen. Laut Stucki kam das zwar bisher glücklicherweise noch nie vor, die Möglichkeit besteht aber immer. Dieses Mal haben die Männer alles richtig gemacht. Der Vergusskopf ist einwandfrei und wird wieder an der Unterseite der Bahn befestigt. Um 15.30 Uhr fährt die Bahn wieder.