2005 trainierte der Guggisberger Rolf Zybach zum ersten Mal mit Thun Tigers im Lachenstadion, wenig später gehörte er schon zum Stammkader. Verletzungsbedingt kann er schon seit einiger Zeit nicht mehr spielen, doch unterstützt er «sein Team» nun auf eine ganz andere Weise.

Es sind über 30 Grad und die Sonne brennt ungebremst auf das Spielfeld des Lachenstadions hinab. Die Thun Tigers und die Bern Grizzlies stehen sich an der 40-Yard-Linie gegenüber. Unter den Helmen laufen Schweissperlen über ihre angespannten Gesichter. Es sind nur noch wenige Sekunden bis zum Ende der ersten Halbzeit und die Grizzlies werden jeden Augenblick ihren vermutlich letzten Angriffe bis zur Pause starten. Aus der mit einer Übermacht an Thun-Fans besetzten Tribüne dröhnt es fast einstimmig: «Defense!». Die Rufe werden von rhythmischen Paukenschlägen begleitet. Sie werden immer schneller, härter, lauter. Dann fliegt der Football durch die Luft und die Pauke verstummt.


Eingefleischte Fans trotzen der Hitze
Mit der Pauke auf dem Schoss sitzt Rolf Zybach in der ersten Reihe der Tribüne. Die Plätze rund um ihn herum sind aus Sicherheitsgründen leer, doch auch sonst ist der Zuschauerraum eher spärlich besetzt. «Bei solchen Temperaturen kommen meist nur die eingefleischten Fans», so Zybach. Dazu kann man ihn durchaus zählen. «Ich gehe zu jedem Heim- und auch vielen Auswärtsspielen.» Erst kürzlich begleitete er die Tigers im Teambus zum Auswärtsspiel gegen die Winterthur Warriors und konnte so dabei zusehen, wie sich die Oberländer den Einzug in die Playoffs sicherten. «Diesen Kontakt zum Team geniesse ich sehr.»
Die Geschichte von Zybach und den Thun Tigers begann bereits vor über 15 Jahren. «Ich hatte damals keine Ahnung, dass es in Thun ein Football-Team gibt.» Obwohl er damals bereits für die Arbeit von seiner eigentlichen Heimat Guggisberg nach Thun gezogen war. Als ihn dann ein Arbeitskollege seines Vaters zu einem Training mitnahm, war es um ihn geschehen. «Seitdem gehörte ich zum Stammkader.» Und dort blieb er die nächsten zwölf Jahre.
Receiver, Quarterback, Linebacker
Angefangen als Receiver, übernahm Zybach sehr schnell die Position des Quarterbacks. «Wir waren ein sehr kleines Kader, weswegen ich schon nach einem Training auf dieser Position einen Match spielte. Allerdings nur mit mässigem Erfolg.» Dann wechselte der noch immer amtierende Quarterback Nicolas Leibundgut von den Junioren und Zybach fand seine Berufung als Linebacker. «Mehr austeilen, tackeln und fetzen – das hat ganz gut gepasst.»

Mit dem Spielen aufgehört hat Zybach vor vier Jahren, und zwar wie so oft beim Football: verletzungsbedingt. «Ich habe immer gesagt: Ich spiele so lange, bis etwas nachgibt. Vorher kann ich vermutlich nicht aufhören.» Knorpel, Meniskus, Kreuzband. Es gibt kaum etwas in seinem Knie, das nicht kaputt ist. Doch überraschenderweise erhielt es den Todesstoss nicht während eines Footballspiels, sondern bei einem Grümpelturnier. «Die Saison war vorbei, mein Knie schon angeknackst und mitten im Spiel – ohne jegliche Fremdeinwirkung – gab es dann bei einem Ausfallschritt einfach nach.»
Ein einmaliger Sport
Das Aufhören sei ihm sehr schwergefallen und er habe seine Verletzung längere Zeit nicht wahrhaben wollen, so Zybach. Trotz der anhaltenden Schmerzen und Einschränkungen, die ihm sein kaputtes Knie noch immer auferlegen, möchte er keine Sekunde auf dem Spielfeld missen. «Wenn mein Knie morgen wieder heil wäre, wäre ich nächsten Mittwoch wieder beim Training. Das sagt wohl alles.» Die Mischung aus Taktik, körperlichem Einsatz und «dass es immer mal wieder chläpft», mache Football zu einer einmaligen Sportart. «Dazu kommt der selten so gute Team-Spirit der Thun Tigers.» Weswegen er nach seinem Spieler-Aus auch ins Trainer-Zelt wechselte.

Vier Jahre coachte Zybach seine früheren Team-Kameraden, seit vergangenem Jahr ist auch damit Schluss. «Es hat mir nie so richtig den Ärmel reingenommen.» Dazu kam, dass er mit seiner Familie wieder zurück nach Guggisberg zog, wodurch er als Trainer dreimal die Woche einen deutlich längeren Anfahrtsweg zurücklegen musste. «Mit einer Familie und kleinen Kindern ist das sehr viel Zeitaufwand.» Obwohl auch seine Familie durchaus aus Football-Fans besteht. «Jeden Sonntag um 19.00 Uhr sind bei uns Burger und Football angesagt.» Dann fant Familie Zybach jeweils für die Seattle Seahawks. Auch hier kam seine Fanliebe eher zufällig zustande. «Einer meiner Spieler beim Fantasy Football war der Seahawks-Spieler Russell Wilson. Also habe ich regelmässig ihre Spiele angeschaut und wurde so ein immer grösserer Fan.»
Tigers vs. Seahawks
Seit 2005 war Zybach auf die eine oder andere Art ein Team-Mitglied, nun erlebt er auch bei den Tigers seine erste Saison von der Zuschauertribüne aus. Immer mit dabei: die Pauke, die er aus dem Tigers-Lager hervorgekramt hat. «Sie stand dort schon eine Ewigkeit, und keiner weiss so genau, wo sie herkommt. Wieso sie also nicht für einen guten Zweck einsetzen und mein Team damit anfeuern?»

Sein Team. Das wurden die Thun Tigers für Zybach schon kurz nach seinem ersten Training bei ihnen. Weswegen es für ihn auch nach seinem Umzug keine Option war, zu den nun etwas näheren Bern Grizzlies zu wechseln. Über die Jahre konnte er die Verwandlung der im Jahr 2000 gegründeten Tigers von Football-Neulingen zu einem etablierten Team beobachten. Obwohl dennoch klar ist, dass die Tigers einen Match gegen Zybachs NFL-Lieblinge, die Seattle Seahawks, mit allergrösster Wahrscheinlichkeit verlieren würde, wäre auch bei dieser sehr unwahrscheinlichen Partie seine Unterstützung absolut parteiisch: «Da muss ich nicht lange überlegen. Mein Herz und meine Pauke schlagen 100 Prozent für die Thun Tigers.»